Who is Samuel J. Fleiner? |
Wie Kunst und Werbewirtschaft voneinander profitierenvon Claudia Main, Darmstadt
Künstler sind anders, gute Werbung auch! Künstler wecken Staunen, Widerspruch, Emotionen und sorgen für Aufmerksamkeit: Gute Werbung auch. Künstler haben ein Gespür für den Augenblick, für Ästhetik und ungewöhnliche Perspektiven; gute Werber auch. Warum gibt es sowenig Kooperation zwischen Werbern und Künstlern? Es kann nicht nur daran liegen, dass es soviel schlechte Künstler gibt. Gute Werbung braucht Geschichten, Geschichten brauchen Ereignisse. Samuel J. Fleiner ist ein Künstler, der sich auf die Herstellung von Ereignissen spezialisiert hat. Er arbeitet kontextnah, das heißt er schafft Kunst, die maximalen Produktbezug hat. Seine gestalterischen Mittel sind Klang, visuell präsente Materialien, Performance und Choreografie. Seine Eingriffe in den Stadtraum lenken Blicke und erzeugen Diskussionen. Da entsteht, gesponsort von einem großen Netzwerkhersteller, eine mehrere Kilometer lange Netzstruktur in der Innenstadt von Ludwigshafen. Diese »Innenstadtvernetzung« vernetzt Veranstaltungsorte und wird zum blauen Faden im Citylabyrinth. Da wird nach vielen vergeblichen Anläufen endlich der S-Bahn-Neubau im Rhein-Neckar-Dreieck begonnen. Das erste Bauwerk der neuen S-Bahn ist eine dreibögige Brücke über den Rhein. Fleiner inszeniert den Spatenstich für den Brückenneubau. Er nimmt die Form der Brücke vorweg und lässt von zwei Wasserwerfern und zwei Löschschiffen eine dreibögige Wasserbrücke bei Mannheim über den Rhein spritzen. Dazu tröten dreißig Nahverkehrsbussen auf beiden Rheinseiten, pfeifen fahrende Züge und hupen Schiffe und LKWs. Das Rattern von Hydraulikhämmern und Vibrationsrammen sorgt für den Rhythmus und erst dieses Spektakel macht den Baubeginn zum Ereignis und katapultiert ihn großformatig in die Medien. Fleiners Kompositionen sind etwas für akustische Gourmets und Gourmands gleichermaßen. Seine Konzerte für »Abrissbirne und buriatische Maultrommler«, für »Straßenbahnklingeln« oder für »Sieben Schiffshörner und einen Regionalzug« schrieben Musikgeschichte, waren aber auch immer Medien- und Publikumsereignisse. Das Schiffshornkonzert lockte über 12.000 Besucher an die malerischen Ufer von Neckarsteinach. Über das Straßenbahnklingelkonzert berichteten vier Fernsehsender. Was diese Inszenierungen gemeinsam haben sind der Reiz des Ungewöhnlichen gepaart mit dem Reiz des Unmöglichen. Fleiner kann aber noch mehr. Er komponierte für Dieselmotoren und fahrenden Contrabass, er realisierte ein Anlasserquintett und eine Maschinentanzmusik aus Produktions-, Transport- und Arbeitsgeräuschen. Fleiner schafft künstlerische und musikalische Branchenlösungen. So entwickelte er für das Jubiläum »100 Jahre Strom« ein »Konzert für Elektrogeräte«: Mit im Boot ein großer Hausgerätehersteller und ein Energieunternehmen. Aber auf der Bühne standen nicht Musiker, sondern Starkstromelektriker, Verwaltungsfachangestellte, Fahrer und Monteure: Und sie haben Spaß dabei die elektrischen Schreibmaschinen zur Rhythmusmaschine zu machen, auf dem Winkelschleifer zu geigen und per eigens für das Konzert konzipierter Tastatur die Staubsaugerschläuche wackeln zu lassen. Fleiner ist wirklich vielseitig. Er komponierte nicht nur die E-Musik als Konzert für Elektrogeräte, sondern stellte auch gleich noch die Firmengeschichte zusammen und realisierte im Jahr darauf eine Ausstellung mit Drahtkunst. Nicht nur weil das Unternehmen einen so guten Draht zu seinen Kunden hat, sondern auch weil seine Mitarbeiter richtig »auf Draht sind«. Fleiner ließ zwar bislang nicht die Puppen tanzen, aber dafür schon mehrfach Gabelstapler mit Rollstühlen, Container mit LKWs und Ladebrücken und immer wieder Bagger und Baumaschinen. Eine seiner ungewöhlichsten Produktionen war ein »Ballett für Strassenfertiger«, das anlässlich eines internationalen Marketing Meetings eines großen Baumaschinenherstellers zur Uraufführung kam. Zehn zum Teil riesige Teermaschinen mit denen normalerweise Autobahnen gebaut werden, tanzten auf einem kleinen Areal von nur knapp 1.500 qm einen Tanz der Giganten. Ein Ereignis mit unschätzbarem Sympathie- und Erinnerungswert. Im Jahr darauf tanzte er dann mit 30 Straßenwalzen und Bodenverdichtungsmaschinen. Es muss aber nicht immer laut zugehen, um spektakulär zu sein. Fleiner kann auch die leisen Töne. Für einen Tiefgaragenbetreiber entstand eine »Tropfensymphonie«, für die Airline Owners and Pilot Assoziation Germany (AOPA) inszenierte er den 100. Todestag von Otto Lilienthal mit gut dreihundert Kindern, die mehrere Tausend selbstgebaute bunte Papierflieger vom Heidelberger Königstuhl segeln ließen. Für das Umweltbundesamt sammelte er Wünsche, die er aufschrieb und zusammen mit jungen Bäumen in die Erde pflanzte. Fleiner schafft Bilder und Klänge zu Anlässen, die in ihrer schlichten Genialität fast ganz von alleine den Weg in die Medien finden. Dabei ist die Medienpräsenz nicht eigentlich das Ziel von Fleiners Arbeiten, sondern die Inszenierung des Alltäglichen an sich. Für Sponsoren und Auftraggeber ist sie ein willkommener Nebeneffekt. Seine Projekte haben Erinnerungswert, doch ihn selbst kennt man kaum als Person. Er gleicht eher einem Regisseur, der ein Stück auf die Bühne bringt und der sich, wenn es läuft, dann still und leise zurückzieht. Die Bühne gehört dann den Arbeitern, Angestellten und Kindern, mit denen er seine Projekte inszeniert. Und weil er sich für sie interessiert, interessieren sie sich auch für seine Arbeiten. Es gibt in Deutschland derzeit wohl kaum einen lebenden zeitgenössischen Künstler, der es wie Fleiner schafft, die Gemüter quer durch alle Gesellschaftsschichten zu bewegen. Kinder sind für Fleiner die kreativsten Wesen überhaupt. Er integriert sie deshalb gerne in seine Projekte. Die Murmelmaschine, ein rostiges stählernes Ungetüm mit Tretantrieb, das 120 Murmeln in der Sekunde zirkuliert und das er zusammen mit Michael Thomas erbaut hat, ist ein verlässlicher Publikumsmagnet bei Umwelttagen, Stadtfesten, Kinderkulturtagen oder Tagen der offenen Tür. Sogar bei der Tour de France kam sie schon zum Einsatz. Samuel Fleiner unterscheidet sich von den meisten seiner Künstlerkollegen, weil er sich nicht auf ein Ausdrucksmittel oder eine Form festlegen lässt. Seine Arbeiten sind so vielseitig wie das Leben. Er hat nicht ein Produkt, das er in kleiner Variationsbreite immer wieder reproduziert, sondern er ist ein kreatives Bündel an unterschiedlichsten Konzepten und er entwickelt ständig neue ungewöhnliche Ideen. Doch diese Ideen sind nie beliebig, sondern immer im Kontext. Wenn ein Projekt zustande kommt, dann ist er Perfektionist und arbeitet mit voller Konzentration an der Realisation. Seine Kunden finden ihn meist auf Empfehlung. Er wird in Regional-, Stadtmarketing und in Fremdenverkehrskreisen bereits als Geheimtipp gehandelt, die Industrie hat ihn bislang noch kaum entdeckt. Meist sind es einzelne Mitarbeiter von Unternehmen, die wissen, dass ihn gibt und dass man sich an ihn wenden kann, wenn man für einen Messeauftritt oder einen Tag der offenen Tür einen Höhepunkt braucht, der diesen Namen wirklich verdient. |